Selektive Wurmkur unter die Lupe genommen

In vielen Pferdeställen sind mittlerweile regelmäßige Wurmkuren zur Pflicht geworden. Problematisch ist, dass die Würmer zunehmend eine Resistenz gegen die Wirkstoffe der bisherigen Wurmkuren entwickelt haben. Parasitologen und Tierärzte versuchten daher eine moderne und wirksame Methode zu entwickeln: die zeitgemäße und selektive Entwurmung. Aber was ist an der neuen Behandlung dran? Viele Reiter stehen der modernen Methode skeptisch gegenüber.

  

„Die Methode ist zu kompliziert.“

Nein, der Kern der zeitgemäßen und selektiven Entwurmung lässt sich auf einen Bierdeckel schreiben: Von jedem Pferd wird in regelmäßigen Abständen jeweils eine Kotprobe von einem Tag untersucht. Nur wenn ein Pferd über den für Endoparasiten definierten Schwellenwerten liegt (beispielsweise 200 Eier pro Gramm Kot (EpG) für kleine Strongyliden), muss der Reiter zur chemischen Wurmkur greifen.

Dann erst werden die Parasiten zur gesundheitlichen Gefahr. Alle anderen Pferde brauchen zum Testzeitpunkt keine Wurmkur. Ob die Wurmkur gewirkt hat, wird danach mittels Kotproben getestet. 

  

„Mein Pferd ist mit der herkömmlichen Entwurmungsart mit drei bis vier Wurmkuren im Jahr am besten geschützt.“

Das Gegenteil ist der Fall. Bei dieser Entwurmungsstrategie geht man zu 100 Prozent davon aus, dass ein Pferd zum Zeitpunkt X eine bestimmte Menge an Endoparasiten in sich hat, und dass dieses Problem nach Gabe einer Wurmkur im Rotationsprinzip auf jeden Fall gelöst ist.

Für Dr. Menzel und viele Wissenschaftler sind das zu viele Annahmen – und zu wenig Kenntnis über den realen Gesundheitszustand des Pferds. In einer Studie (Dr. Menzel) wurden in den vergangenen sieben Jahren rund 7.500 Pferde aus etwa 1.300 Ställen untersucht. Das Ergebnis: 70 bis 80 Prozent der Pferde sind langfristig nicht gesundheitsbeeinträchtigend verwurmt. Warum sollte man also sein Pferd drei bis vier Mal im Jahr entwurmen, wenn es gar kein Wurmproblem hat? 

Außerdem ist die Methode riskant fürs Tier, denn sie fördert Resistenzen, sprich immer mehr Endoparasiten überleben trotz Wurmkur.

 

„Wenn es nicht alle im Stall machen, ist die Methode sinnlos.“

Das ist ein Irrglaube. Die Methode funktioniert nicht nur im kompletten Bestand, sondern auch zu 100 Prozent bei Einzeltieren.

  

„Die Methode eignet sich nicht für alle Pferde.“

Die zeitgemäße und selektive Entwurmung lässt sich bei jeder Altersgruppe und auch bei jeder Haltungsform zuverlässig und sicher durchführen. Es kann jedoch sein, dass die Methode individuell angepasst werden muss, beispielsweise bei Fohlen und Jungtieren: Hier müssen unter Umständen anfangs mehr Proben als bei erwachsenen Pferden analysiert werden.

Darüber hinaus schützt die zeitgemäße und selektive Entwurmung junge Pferde dank ausgefeilter Kontroll- und Behandlungsrhythmen besser vor Spulwürmern als die herkömmliche blinde Entwurmungsstrategie. Spulwürmer sind für diese Altersgruppe eine große Gefahr und können beispielsweise zu Koliken führen, insbesondere wenn sie nicht beobachtet und richtig behandelt werden.

 

„Die Methode ist zu teuer.“

Auf Dauer gesehen definitiv nicht. Im ersten Jahr der zeitgemäßen und selektiven Entwurmung werden bei erwachsenen Pferden mindestens vier Kotproben untersucht. Eine Analyse in einem zertifizierten Labor kostet je nach Analysewunsch bis zu 30 Euro.

Hinzu kommen je nach Bedarf die Kosten für die Wurmkuren. Danach wird es günstiger, weil pro Jahr nicht mehr so viele Proben untersucht werden müssen. Nach zirka drei Jahren zahlt ein Reiter mit einem Pferd, das nur untersucht, aber nicht entwurmt werden muss, für die Labor-Analysen ungefähr so viel, wie wenn er das Pferd vier Mal im Jahr blind entwurmen würde.

 

„Das Sammeln der Kotproben ist viel zu umständlich.“

Das Sammeln kann in manchen Fällen mehr Zeit in Anspruch nehmen, als dem Pferd einfach eine Wurmkur zu geben. Wer aber Verantwortung für sein Tier übernehmen will, für den sollten diese paar zusätzlichen Minuten im Jahr kein Hindernis sein.

Bei der Boxenhaltung ist das Sammeln der Kotprobe ganz einfach: Man nimmt etwa am Morgen eine Handvoll frischen Kot (wenn möglich von 3 Kotabsatzstellen) aus der Box. Fertig. Etwas aufwändiger wird’s bei der Gruppenhaltung. Hier kann man sich nicht einfach an einem herumliegenden Pferdehaufen bedienen. Jede Probe muss eindeutig dem jeweiligen Tier zugeordnet werden können.

Wenn sich Stallbetreiber und Einsteller absprechen, lässt sich der Aufwand für alle Beteiligten aber letztlich oft auch gering halten.

 

„Die Kotprobe eines Pferds reicht aus, um auf den Wurmbefall aller Pferde im Stall zu schließen.“

Das ist falsch. Jedes Pferd muss separat untersucht werden. Das ist wie bei anderen Krankheiten auch: Nur weil ein Tier krank ist und Antibiotika benötigt, sind ja nicht gleich alle Pferde im Stall krank und müssen deswegen auch behandelt werden.

 

„Eine Kotprobe von einem einzigen Tag ist unzuverlässig.“

Das ist falsch. Die Kotprobe von einem Tag ist zuverlässiger als eine Durchschnittsprobe von drei Tagen. Zum einen schlüpfen die Larven im Kot gerne bereits nach zirka 48 Stunden. So sind bei einer Drei-Tage-Probe in den Proben von Tag eins und zwei möglicherweise deutlich weniger oder gar keine Eier mehr enthalten, wenn sie im Labor ankommen, sondern nur noch Larven. Für die Analyse benötigt das Labor aber die Wurmeier. Zum anderen ist es zwar tatsächlich so, dass ein Pferd nicht zu jedem Zeitpunkt gleich viele Wurmeier ausscheidet; diese Schwankungen sind jedoch nur sehr gering und werden darüber hinaus bei der Bewertung der Ergebnisse nach den Standards der zeitgemäßen und selektiven Entwurmung berücksichtigt.

Entscheidend sind diese Schwankungen vor allem bei Pferden, die sich beispielsweise rund um den Schwellenwert von 200 Strongyliden-EpG befinden. Das betrifft aber zirka nur zwei Prozent aller Pferde. Alle anderen Tiere sind entweder deutlich unter oder deutlich über dem Schwellenwert, so dass die geringen Verschiebungen nichts an der Entwurmungsempfehlung ändern würden: nur ab 200 Strongyliden-EpG wird auch gegen Strongyliden entwurmt.

Beim Bandwurm zeigt jedoch nicht jede Kotprobe einen Befall mit den Parasiten an, weil die Eier nicht dauerhaft ausgeschieden werden. Da die zeitgemäße und selektive Entwurmung aber auf die regelmäßige Analyse von Kotproben ausgelegt ist, macht das nichts aus. Egal zu welchem Zeitpunkt auch nur ein einziges Bandwurmei bei einem einzigen Pferd im Stall gefunden wird, muss der gesamte Pferdebestand ab diesem Zeitpunkt einmal im Jahr gegen Bandwürmer behandelt werden.

 

„Obwohl ein Pferd wenige Eier ausscheidet, kann es viele Würmer im Bauch haben.“

Eine Studie zeigt, dass das nur bedingt stimmt. Die Zahl der ausgeschiedenen Eier in den niedrigen EpGBereichen (also Ergebnisse unter den Schwellenwerten der zeitgemäßen und selektiven Entwurmung) korreliert demnach mit der Wurmzahl im Pferd. Nur bei höheren EpG-Werten findet man oft noch viel mehr Würmer im Pferd, als von der Eizahl zu erwarten wäre.

Aber keine Sorge, bei der zeitgemäßen und selektiven Entwurmung sind die Schwellenwerte, ab denen entwurmt wird, zur Sicherheit ohnehin niedrig angesetzt, und es greift zusätzlich diese Regel: Wenn ein Pferd einen oder mehrere niedrige Schwellenwerte je Endoparasit überschreitet, muss dieses Pferd auf jeden Fall mit einer chemischen Wurmkur behandelt werden.

Wenn Reiter berichten, dass ihr Pferd trotz negativem Laborbefund hochgradig verwurmt war und manche sogar wegen einer wurmbedingten Kolik eingeschläfert werden mussten, sollte man sehr vorsichtig sein. Nicht überall, wo zeitgemäße und selektive Entwurmung draufsteht, ist diese auch drin. Es gibt vermehrt Fälle, bei denen der Tierarzt einfach eine Wurmkur pro Jahr weg lässt und das dann als zeitgemäße und selektive Entwurmung deklariert, oder bei denen ein Labor nicht nach den definierten Standards arbeitet, das aber trotzdem als die neue Entwurmungsstrategie anpreist.

 

„Das Labor findet nicht alle Parasiten.“

Wenn das Pferd Parasiten in sich hat, dann findet das Labor diese auch, vorausgesetzt, es arbeitet nach den Standards der Arbeitsgemeinschaft für Zeitgemäße (+ Selektive) Entwurmung.

Es gibt jedoch Sonderfälle: Beispielsweise Bandwürmer und eingekapselte Larven von kleinen Strongyliden (passiert gerne im Herbst). Solche Larven sind im Labor unsichtbar, weil sie keine Eier ausscheiden. Erst wenn sie wieder frei sind, fallen sie bei der Analyse auf. Das Problem kann aber auch bei der herkömmlichen Entwurmung mit vier Ampullen im Jahr auftreten.

   

Quellen:  Cavallo,, Bilder: Pixabay